Kreditmärkte im Umbruch – müssen Banken Zinsen für Kredite zahlen?

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Angesichts divergierender Entscheidungen deutscher Gerichte zu negativen Leitzinsen sind die Parteien gut beraten, auf die Formulierung der entsprechenden Klauseln bei der Gestaltung und Verhandlung von Kreditverträgen zu achten.

Kurz zusammengefasst:  Negative Leitzinsen waren bis vor einigen Jahren fast unvorstellbar. Inzwischen haben sich die Parteien jedoch soweit daran gewöhnt, dass sie fast schon zur Normalität geworden sind. Dennoch sind die Parteien gut beraten, auf die Formulierung der entsprechenden Klauseln bei der Gestaltung und Verhandlung von Kreditverträgen nach deutschem Recht zu achten, nicht zuletzt angesichts der jüngsten divergierenden Entscheidungen der deutschen Landgerichte in diesem Zusammenhang.

Da die EURIBOR-Sätze seit einigen Jahren unter Null liegen, war es nur eine Frage der Zeit, dass die Gerichte darüber zu entscheiden haben, ob Kreditgeber, die variable Zinssätze anwenden, nicht nur keine Zinsen berechnen können, sondern stattdessen sogar Zahlungen an ihre Kreditnehmer leisten müssen.

In kommerziellen Kreditverträgen vereinbaren die Parteien häufig variable Zinssätze, die sich aus der (variablen) EURIBOR-Basis und einer festen Marge zusammensetzen. Ein Kreditvertrag kann vorsehen, dass der Basiszinssatz nie unter Null fallen kann, was bedeutet, dass der Basiszinssatz zuzüglich Marge nie negativ sein kann. Auf der anderen Seite sieht aber nicht jeder Kreditvertrag ausdrücklich eine solche „Nulluntergrenze“ für den jeweiligen Basiszinssatz vor. Dies könnte dazu führen, dass der Basiszinssatz in einem solchen Maße negativ ist, dass auch die Summe aus Basiszinssatz und Marge unter Null liegt. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob „Negativzinsen“ auf ein Darlehen zu einer Zahlungsverpflichtung des Kreditgebers an den Kreditnehmer führen können.

In den vergangenen Monaten gab es mehrere voneinander abweichende Entscheidungen deutscher Landgerichte.

Eine Entscheidung des Landgerichts Düsseldorf vom März 2020 (13 O 322/18) bejahte diese Frage. Das Gericht urteilte, dass die kreditgebende Bank den Kreditnehmern Negativzinsen auf das ausstehende Schuldscheindarlehen zu zahlen hat. In dem zu Grunde liegenden Fall hatten die Parteien nicht ausdrücklich eine „Nulluntergrenze“ für den EURIBOR vereinbart. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass (i) es keine stillschweigende Untergrenze für einen Basiszinssatz gibt, (ii) die Anerkennung des negativen Basiszinssatzes das gerechte wirtschaftliche Gleichgewicht der Transaktion widerspiegelt, bei der der Basiszinssatz nur ein vorübergehender Posten ist, und (iii) negative Zinsen nicht dem Charakter eines Darlehens widersprechen, das als Gegenleistung für Zinsen gewährt wird, da weiterhin Zinsen gezahlt werden, wenn auch in diesem Fall von der kreditgebenden Bank.

Es war die erste Entscheidung eines deutschen Gerichts, nach der die kreditgebende Bank zur Zahlung von Negativzinsen an einen Kreditnehmer aufgrund des negativen EURIBORs verpflichtet ist.

Nur wenige Monate nach diesem Urteil entschied eine andere Kammer desselben Landgerichts Düsseldorf im Juni 2020 (2b O 254/18) gegenteilig: Hier argumentierte das Gericht, dass ein Schuldscheindarlehen im Allgemeinen als ein Geschäft charakterisiert wird, bei dem ein Kreditgeber Kapital gegen Zahlung von Zinsen zur Verfügung stellt, wobei diese Zinsen vom Empfänger des Kapitals gezahlt werden müssen. Dieser Charakter eines Darlehens wäre nicht gewahrt, wenn der Kreditgeber dem Kreditnehmer eine Gegenleistung erbringen würde. Wenn es tatsächlich die Absicht der Parteien gewesen wäre, dass der Kreditgeber eine Gegenleistung an den Kreditnehmer zahlen soll, hätten die Parteien dies ausdrücklich vereinbaren müssen.

Die Berufung gegen letztgenannte Entscheidung ist derzeit noch beim Oberlandesgericht Düsseldorf anhängig.

Den Ansatz des Landgerichts Düsseldorf vom Juni 2020 legt das Landgericht Hamburg seiner Entscheidung vom Dezember 2020 (318 O 367/19) in Bezug auf einen Schuldscheindarlehensvertrag aus dem Jahr 2006 zugrunde: Weder der Kreditgeber noch der Kreditnehmer hätten damals an eine Situation gedacht, in der die Zinsen negativ werden könnten mit der Folge, dass der Kreditgeber dem Kreditnehmer ein Entgelt für den Kapitalabruf zahlen müsste. Eine gegenteilige Auslegung würde nach Ansicht des Gerichts einen Hinweis in dem Kreditvertrag dahingehend erfordern, dass die Parteien eine solche Situation in Betracht gezogen haben und eine Gegenleistung des Kreditgebers für die Einlage von Kapital beim Kreditnehmer vorsehen wollten.

Angesichts dieser divergierenden Entscheidungen und der Tatsache, dass noch keine Entscheidung des Bundesgerichtshofs vorliegt, ist es für die Parteien eines Kreditvertrags ratsam, ihre Verträge so zu gestalten, dass sie eine Regelung für die Möglichkeit eines negativen Leitzinses ausdrücklich enthalten. Insbesondere werden sich die Parteien zukünftig nicht mehr darauf berufen können, dass sie diese Möglichkeit nicht bedacht haben.

In viele Kreditverträge wurden in den vergangenen Jahren „zero floor“-Klauseln aufgenommen, mit denen sich die Parteien auf eine „Nulluntergrenze“ für den Leitzins oder einen Mindestzinssatz geeinigt haben.

Bei allen neu abzuschließenden Kreditverträgen sollte diese Praxis beibehalten werden. Alternativ sollten die Parteien im Kreditvertrag ausdrücklich den umgekehrten „Zinsfluss“ als Gegenleistung für die Einlage von Kapital beim Kreditnehmer vorsehen, wenn dies gewünscht ist.

Bei weiteren Fragen hierzu wenden Sie sich gerne an Ihre Ansprechpartnerin oder Ihren Ansprechpartner bei EHLERMANN RINDFLEISCH GADOW oder an Hendrik Brauns or Dr. Hauke Rittscher.