Erweiterung des EU-Emissionshandelssystems (EU-EHS) auf die Schifffahrt

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Wir geben Ihnen einen Überblick über die Art und Weise, wie der maritime Sektor ab dem 1. Januar 2024 in das EU-Emissionshandelssystem einbezogen werden soll sowie über mögliche Auswirkungen für Schiffseigner und -manager.

Kurz zusammengefasst:  Im Dezember 2022 einigte sich die Europäische Union (EU) darauf, dass das EU-Emissionshandelssystem (EU-EHS) ab dem 1. Januar 2024 auch Treibhausgasemissionen der Schifffahrtsindustrie erfassen soll. Das EU-Emissionshandelssystem ist Teil des „Fit for 55“-Maßnahmenpakets der EU, das darauf abzielt, Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 55 % gegenüber dem Stand von 1990 zu senken. In diesem Newsletter geben wir Ihnen einen Überblick über die Art und Weise, wie der maritime Sektor in das EU-EHS einbezogen werden soll sowie über mögliche Auswirkungen für Schiffseigner und -manager.

Das EU-Paket „Fit for 55 in 2030“ ist eine Zusammenstellung von Vorschlägen und Maßnahmen, um die Klima-, Energie-, Landnutzungs-, Verkehrs- und Steuerpolitik der EU darauf auszurichten, Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 55 % gegenüber 1990 zu senken. Als Teil dieses Pakets veröffentlichte die Europäische Kommission am 14. Juli 2021 Vorschläge zur Ausweitung des EU-EHS, um auch Emissionen des Seeverkehrs in das Emissionshandelssystem einzubeziehen. Das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union erzielten am 18. Dezember 2022 eine vorläufige Einigung, die die Einbeziehung der Schifffahrtsindustrie in das EU-EHS ab dem 1. Januar 2024 bestätigt. Der entsprechende Richtlinienentwurf liegt derzeit zur förmlichen Annahme vor und wurde noch nicht veröffentlicht.

Das 2008 eingeführte EU-Emissionshandelssystem, das sowohl die EU-Mitgliedstaaten als auch die Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) umfasst, ist als „Cap and Trade“-System konzipiert. Es wird eine Obergrenze für die Gesamtmenge bestimmter Treibhausgasemissionen festgelegt, die von den unter das System fallenden Einheiten ausgestoßen werden dürfen. Jede Einheit muss genügend Emissionsberechtigungen erwerben, um ihre Emissionen vollständig zu decken, wobei die Berechtigungen je nach Bedarf zwischen den Einheiten gehandelt werden können. Am Ende eines jeden Jahres muss jede Einheit eine ausreichende Anzahl von Berechtigungen zur Deckung aller Emissionen abgeben. Der Preis pro Berechtigung ist nicht festgelegt, sondern schwankt je nach Angebot und Nachfrage auf dem Markt für Emissionsberechtigungen. Die kostenlosen Emissionsberechtigungen, die derzeit noch ausgegeben werden, sollen bis 2030 schrittweise abgeschafft werden.

Um die gesetzten Klimaziele zu erreichen, wird die EU in den nächsten Jahren die ausgegebenen Emissionsberechtigungen weiter schrittweise reduzieren. Neben Kohlenstoffdioxid (CO2) sollen auch die Emissionen von Methan (CH4) und Distickstoffoxid (N2O) bis 2024 in die EU-Verordnung „Monitoring Reporting and Verification Regulation“ (MRV-Verordnung) aufgenommen und ab 2026 in das EU-Emissionshandelssystem einbezogen werden.

Nach dem Entwurf der Richtlinie sind Emissionsberechtigungen für Emissionen erforderlich, die auf Fahrten innerhalb der EU und der EWR entstehen (einschließlich der Emissionen, die entstehen, wenn Schiffe in EU- oder EWR-Häfen am Liegeplatz sind) sowie für 50 % der Emissionen, die auf Fahrten zwischen einem EU- oder EWR-Hafen und einem Drittland entstehen. Dies gilt für Schiffe mit einer Bruttoraumzahl von über 5.000 BRZ, unabhängig davon, welche Flagge sie führen. Stückgutfrachter und Offshore-Schiffe mit einer Bruttoraumzahl zwischen 400 und 5.000 BRZ sind derzeit ausgenommen, werden aber ab 2025 in die MRV-Verordnung aufgenommen, was bedeutet, dass Schiffseigner ab 2025 die CO2-Emissionen ihrer jeweiligen Schiffe überwachen, melden und überprüfen müssen. Eine mögliche Einbeziehung in das EU-EHS soll 2026 erneut geprüft werden. Yachten, einschließlich Superyachten, sind nach dem derzeitigen Vorschlag vom EU-EHS ausgeschlossen, wenn sie nur privat genutzt werden, unabhängig von ihrer Größe und ihren tatsächlichen Emissionen.

Für die Verpflichtung zur Abgabe von Emissionsberechtigungen im Rahmen des auf die Schifffahrt bezogenen EU-Emissionshandelssystems hat sich die EU auf ein abgestuftes System geeinigt, das 40 % aller erzeugten CO2-Emissionen ab 2024, 70 % ab 2025 und 100 % aller erzeugten CO2-Emissionen sowie aller Methan- und Distickstoffoxid-Emissionen ab 2026 abdeckt.

„Schifffahrtsunternehmen“ wird im Rahmen des EU-EHS definiert als der Schiffseigner oder jede andere Organisation oder Person, wie z. B. der Schiffsmanager oder der Bareboat-Charterer, die vom Schiffseigner die Verantwortung für den Betrieb des Schiffes übernommen hat und die mit der Übernahme dieser Verantwortung zugestimmt hat, alle Pflichten und Verantwortlichkeiten zu übernehmen, die durch den International Management Code for the Safe Operation of Ships and for Pollution Prevention (ISM-Code) auferlegt werden, der in Anhang I der Verordnung (EG) Nr. 336/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates aufgeführt ist.

In Anbetracht der weit gefassten Definition eines „Schifffahrtsunternehmens“ bleibt offen, welche Partei für die Einhaltung der EU-EHS-Richtlinie und die Beschaffung der entsprechenden EU-EHS-Emissionsberechtigungen verantwortlich sein soll und wie mit möglichen erhöhten Kosten oder Risiken angemessen umgegangen werden soll. Verantwortlich ist in der Regel derjenige, der das Schiff gewerblich betreibt, die Kontrolle über die Geschwindigkeit und die Route des Schiffes hat und für den Treibstoff zahlt. Die vom Baltic and International Maritime Council (BIMCO) im Jahr 2022 veröffentlichte ETS Emission Trading Scheme Allowances Clause for Time Charter Parties 2022 bietet eine gute Grundlage für Verhandlungen in diesem Zusammenhang. Weitere Überarbeitungen von BIMCO-Formularen wie dem SHIPMAN, um auch diese neuesten Entwicklungen zu berücksichtigen, werden für 2023 erwartet.

Neben anderen möglichen Sanktionen ist es wahrscheinlich, dass das derzeit im Rahmen des EU-Emissionshandelssystems geltende Sanktionssystem auch auf den Seeverkehr Anwendung finden wird. In diesem Fall müsste jedes Schifffahrtsunternehmen, das bis zum 30. April eines jeden Jahres nicht genügend Berechtigungen abgibt, um seine Emissionen des Vorjahres abzudecken, eine Strafe für Emissionsüberschreitung in Höhe von 100 EUR für jede Tonne CO2-Äquivalent zahlen, die über die erworbenen Emissionsberechtigungen hinausgeht.

Da viele Details zur Einführung des EU-EHS für die Schifffahrt von der EU noch nicht bekannt gegeben wurden, bleibt abzuwarten, wie der Erwerb und die Abgabe von Emissionsberechtigungen umgesetzt werden wird, wie viele Berechtigungen verteilt werden und wie deren Handel praktisch umgesetzt wird. Da die kostenlosen Zertifikate im Rahmen des EU-EHS ohnehin reduziert und schrittweise abgeschafft werden sollen, scheint es eher unwahrscheinlich, dass es kostenlose Zertifikate für das EU-EHS für die Schifffahrt geben wird. Eine weitere Frage wird sein, wie Drittländer auf die Einführung des Handelssystems für die Schifffahrt reagieren werden und ob sie möglicherweise ähnliche Emissionshandelssysteme einrichten werden.

Bei weiteren Fragen hierzu wenden Sie sich gerne an Ihre Ansprechpartnerin oder Ihren Ansprechpartner bei EHLERMANN RINDFLEISCH GADOW oder an Dr. Julia Glocke oder Hendrik Brauns.