"Quiet enjoyment" und was von BIMCOs QEL-Mustern erwartet werden kann

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Letter of Quiet Enjoyment – BIMCO veröffentlicht Muster. In diesem Newsletter geben wir Ihnen einen Überblick über Quiet Enjoyment an sich und bemerkenswerte Features der BIMCO-Muster.

Kurz zusammengefasst: Das Bedürfnis eines Charterers zur ungestörten Nutzung des Schiffes einerseits und das Interesse eines Hypothekengläubigers an dem Schiff als Sicherheit andererseits kollidieren häufig mit den Erwartungen der Parteien, wenn keine Vereinbarung über ein "quiet enjoyment" getroffen wurde. Im Februar 2024 veröffentlichte die BIMCO zwei Entwürfe für Quiet Enjoyment Letters ("QEL"), die für Zeitcharter-, Bareboat-Charter- und Leasingstrukturen verwendet werden können. In diesem Newsletter befassen wir uns mit den rechtlichen Besonderheiten und Hintergründen von Quiet Enjoyment Lettern und gehen darüber hinaus auf die BIMCO Entwürfe ein.

A.    Überblick zum "Quiet enjoyment" 

Im maritimen Kontext kann Quiet Enjoyment zusammengefasst werden als das Recht eines Charterers, das Schiff ungestört zu nutzen und in Gebrauch zu haben. Das Recht auf "quiet enjoyment" kann nach englischem Common Law oder aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung zwischen den Parteien bestehen.

1) Quiet Enjoyment aufgrund englischen Rechts: 

Wenn keine vertragliche Vereinbarung zwischen dem Charterer und dem Hypothekengläubiger besteht (z.B. aufgrund eines Letter of Quiet Enjoyment), sieht das englische Recht einige allgemeine Grundsätze vor, die das Verhältnis zwischen dem Charterer und dem Hypothekengläubiger regeln. So genießt der Charterer auch dann ein gewisses Maß an "quiet enjoyment", wenn kein Letter of Quiet Enjoyment vereinbart wurde (unterstellt, der Charterer kommt seinen Verpflichtungen unter der Charter nach). Obwohl die Thematik komplex ist und jeder Fall auf der Grundlage des jeweiligen Sachverhalts entschieden wird, gelten die folgenden allgemeinen Grundsätze:

(a)    Ist ein Chartervertrag zeitlich vor der Hypothekenbestellung geschlossen worden und hat der Hypothekengläubiger Kenntnis von der Existenz eines solchen Vertrages, so kann der Charterer eine einstweilige Verfügung erwirken, um den Hypothekengläubiger daran zu hindern, die Erfüllung des Chartervertrages zu beeinträchtigen. Dies gilt selbst dann, wenn die Charter die Hypothek beeinträchtigt. Die einzige Ausnahme ist, wenn der Schiffseigentümer nicht in der Lage ist, die Charter zu erfüllen. Wenn der Schiffseigentümer nicht in der Lage ist, seine Verbindlichkeiten bei Fälligkeit zu begleichen, ist er regelmäßig auch nicht in der Lage, die Charter zu erfüllen. Das Versäumnis eines Schiffseigentümers als Darlehensnehmer, die Raten gemäß dem Darlehensvertrag zu zahlen, ist in der Regel der Grund, warum ein Hypothekengläubiger seine Hypothek durchsetzen möchte, so dass in den meisten Fällen die Ausnahme greift. Ob der Schiffseigentümer jedoch tatsächlich nicht in der Lage ist, den Chartervertrag zu erfüllen, ist letztlich eine Frage des Sachverhalts.

(b)    Bei einer bereits bestehenden Bareboat-Charter ist die Situation anders. Der Besitz des Schiffes wird dem Charterer übertragen, und die Fähigkeit des Eigentümers, die Charter zu erfüllen, ist nicht von Bedeutung. Infolgedessen ist die Position des Hypothekengläubigers schwächer als bei einer Zeitcharter. Sofern der Charterer nicht gegen die Charter verstößt, sind die Rechte des Hypothekengläubigers stets denen des Charterers untergeordnet, und ein Hypothekengläubiger wäre nicht berechtigt, das Schiff zu arrestieren.

(c)    Bestand die Hypothek bereits vor der Charter, so gilt nach der Entscheidung in der Rechtssache Myrto (1977) die allgemeine Regel, dass der Hypothekengläubiger nicht berechtigt ist, die Erfüllung der Charter durch Ausübung seiner Hypothekenrechte zu beeinträchtigen, sofern die Charter die Hypothek nicht beeinträchtigt und der Schiffseigentümer bereit und in der Lage ist, die Charter zu erfüllen.

Ein Gericht kann zum Ergebnis kommen, dass eine Charter die Hypothek beeinträchtigt, wenn der Schiffseigentümer beispielsweise zahlungsunfähig ist oder werden wird und in den Häfen, die das Schiff anlaufen soll, seinen Zahlungsverbindlichkeiten wahrscheinlich nicht nachkommen kann (was zu Schiffsgläubigerrechten führt) oder wenn das Schiff nicht oder nicht ausreichend versichert ist.

Wie zuvor erwähnt, bedeutet "Leistungsunfähigkeit" regelmäßig, dass der Schiffseigentümer nicht in der Lage ist, seine Verbindlichkeiten zu begleichen, seien es Reparaturen an dem Schiff oder die Raten aus dem Kreditvertrag. Wenn der Schiffseigentümer nicht in der Lage oder nicht willens ist, seine Verpflichtungen aus dem Chartervertrag zu erfüllen, ist der Hypothekengläubiger berechtigt, seine Rechte unter der Hypothek geltend zu machen.

Wichtig ist, dass das englische Gericht in der Rechtssache Myrto feststellte, dass es letztlich eine Frage des Sachverhalts ist, ob diese Bedingungen erfüllt sind. Aus dem Urteil Myrto geht auch hervor, dass die Beeinträchtigung der Charter die unmittelbare Folge der Handlungen des Hypothekengläubigers sein muss. Hätte der Schiffseigentümer den Chartervertrag nur erfüllen können, indem er einen Kredit aufgenommen hätte, der ihm jedoch nicht gewährt worden wäre, so ist die Unfähigkeit des Schiffseigentümers, den Chartervertrag zu erfüllen, nicht die Folge eines unzulässigen Eingriffs des Hypothekengläubigers.

Natürlich kann es in dem Land, in dem ein Hypothekengläubiger eine Hypothek durchsetzen will, vergleichbare Quiet-Enjoyment-Rechte geben. Daher ist es ratsam, sich vor der Vollstreckung einer Hypothek vor Ort beraten zu lassen, ob und welche Rechte der Charterer in Bezug auf Quiet Enjoyment hat.

2) Vertragliches Quiet Enjoyment: 

Eine vertragliche Vereinbarung wie ein Letter of Quiet Enjoyment schafft eine direkte vertragliche Beziehung zwischen dem Hypothekengläubiger und dem Charterer. Sie räumt dem Charterer in der Regel das Recht ein, das Schiff ohne Einmischung des Hypothekengläubigers zu nutzen, solange der Charterer nicht mit seinen Verpflichtungen unter dem Chartervertrag in Verzug ist, und zwar unabhängig davon, ob der Eigentümer als Kreditnehmer unter dem Kreditvertrag in Verzug ist.

Es steht den Parteien frei, die Position des englischen Rechts einzuschränken oder zu erweitern. Die Position des englischen Rechts ist jedoch häufig der Ausgangspunkt, der entsprechend der Verhandlungsmacht der einzelnen Parteien und unter Berücksichtigung anderer rechtlicher und wirtschaftlicher Erwägungen modifiziert wird.

Vor der Vereinbarung eines vertraglichen "Quiet Enjoyment" sollten die folgenden Punkte berücksichtigt werden:

  • Geltendes Recht und Gerichtsbarkeit: Schiffe sind oft international im Einsatz, und das englische Common Law ist möglicherweise nicht anwendbar, je nachdem, in welcher Gerichtsbarkeit sich das Schiff befindet;

  • Ausgewogenheit: ein Letter of Quiet Enjoyment ermöglicht es den Parteien, eine Struktur zu dokumentieren, die ihre jeweiligen Verhandlungspositionen und wirtschaftlichen Ziele besser widerspiegelt;

  • Durchsetzung des englischen Common Law auf Quiet Enjoyment: Die Beweislast für die Durchsetzung des englischen Rechts auf Quiet Enjoyment oder für den Nachweis einer unerlaubten Störung durch den Hypothekengläubiger kann schwierig sein; 

  • Step-In: Das englische Common Law sieht keine Eintritts-Rechte für Hypothekengläubiger vor; und

"Es kommt darauf an...": Nach englischem Recht ist das Recht auf Quiet Enjoyment in hohem Maße faktenabhängig, und jeder Fall wird individuell nach Sachlage behandelt.

B.    Die QEL-Muster von BIMCO

Es gibt keine allgemeingebräuchlichen Standardformulare für Letter of Quiet Enjoyment. BIMCO hat jetzt jedoch zwei Muster für Quiet Enjoyment Letters (QELs) zur Verwendung bei Schiffsfinanzierungen veröffentlicht, ein Kurzformular nur für den Hypothekengläubiger und ein längeres Muster, das von allen drei beteiligten Parteien vereinbart wird und gegenseitige Verpflichtungen vorsieht. Die QEL sind für Bareboat- und Zeitcharterverträge sowie für Leasingstrukturen vorgesehen.

BIMCO teilte hierzu mit, dass es ihr Ziel war, einen "ausgewogenen Standard zu entwickeln, der grundsätzlich die Marktpraxis widerspiegelt und die Rechte und Pflichten der Parteien angemessen wiedergibt". 

Zwei Merkmale der QEL-Muster von BIMCO sind besonders erwähnenswert.

1) Übereinstimmung mit der CRR?

Das erste und vielleicht interessanteste Merkmal aus der Perspektive eines Hypothekengläubigers, der ein Finanzinstitut ist und EU-Rechtsvorschriften wie der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 (Capital Requirements Regulation, CRR) unterliegt, besteht darin, dass BIMCO darauf abzielt, Formulierungen aufzunehmen, die den QEL mit den Anforderungen der CRR in Einklang bringen.

In seinen Erläuterungen stellt BIMCO fest, dass die Verwendung von "in any manner" in Absatz 2 der QEL ("... the mortgagee shall not […] exercise its rights as mortgagee in relation to the Vessel in any manner that would affect or disturb the Charterer's free and uninterrupted use...") deutlich machen würde, dass der Hypothekengläubiger die Hypothek zwar durchsetzen kann, aber nicht in einer Weise, die mit einem Quiet Enjoyment kollidiert. Der QEL solle die Darlehensgeber nicht daran hindern, ihre Rechte auszuüben und die Hypothek durchzusetzen, sondern nur die Art und Weise einschränken, in der diese Rechte ausgeübt werden können. Diese Absicht wird durch Absatz 5 des QEL unterstrichen, in dem es heißt, dass der Hypothekengläubiger nicht an der Durchsetzung seiner Rechte in Bezug auf das Schiff gehindert wird, sofern der Chartervertrag bestehen bleibt.

Ob dies letztlich ausreichend sein wird, um den Anforderungen der CRR, insbesondere Art. 194 Abs. 4 CRR, zu genügen, ist nicht nur von der Beurteilung durch das einzelne Finanzinstitut abhängig, sondern auch von der Beurteilung durch die Europäische Bankaufsichtsbehörde und den jeweiligen nationalen Bankaufsichtsbehörden.

2) Zusammenarbeit nach Treu und Glauben vs. Eintrittsrecht

Das zweite Merkmal ist das Fehlen eines klar formulierten vertraglichen Eintrittsrechts für den Hypothekengläubiger mit einer ausdrücklichen Verpflichtung des Charterers, das dem Hypothekengläubiger oder seinem Bevollmächtigten das Recht einräumen würde, im Rahmen der Charter in die Rechte des Schiffseigentümers einzutreten und im Wege der Novation die Charterraten direkt vom Charterer zu erhalten. Die einzige Verpflichtung des Charterers besteht darin, nach Treu und Glauben und rechtzeitig mitzuwirken, um die Übergabe des Schiffes oder die Novation der Charter zu erleichtern. Aus der Sicht des Hypothekengläubigers wäre es jedoch in den Fällen, in denen die Charter das Kernstück der zugrunde liegenden Finanzierung bildet, vorteilhaft, einen klaren, im Voraus vereinbarten vertraglichen Rahmen zu haben, der Regelungen zur Novation aller Rechte und Pflichten aus der Charter ohne Beteiligung des Schiffseigentümers und klar definierte Gründe für die Ablehnung eines Ersatzeigentümers durch den Charterer enthält. Jede Zweideutigkeit in solchen vertraglichen Vereinbarungen schafft Unsicherheit. Dies könnte als Vorwand genutzt werden, um ein wirksames Eintrittsrecht zu verhindern.

3) Weitere Merkmale

Das BIMCO-QEL-Standardformular sieht vor, dass der Charterer dem Hypothekengläubiger im Gegenzug für die ungestörte Nutzung des Schiffes bestimmte Verpflichtungen auferlegt. So verpflichtet sich der Charterer im BIMCO-QEL-Standardformular beispielsweise, die Charter nicht fristlos zu kündigen, die Charter nicht ohne Zustimmung des Hypothekengläubigers zu ändern oder abzutreten und dem Hypothekengläubiger die Inspektion des Schiffes zu gestatten. 

Die BIMCO-Kurzform der QEL konzentriert sich auf die Rechte des Charterers zur ungestörten Nutzung des Schiffes. Es enthält keine Verpflichtungen des Charterers gegenüber dem Hypothekengläubiger.

C.    Fazit

Im sich ständig weiterentwickelnden maritimen Recht tragen Letters of Quiet Enjoyment dazu bei, allen Parteien Klarheit über ihre Rechte zu verschaffen, wenn ein Schiff langfristig verchartert und hypothekarisch belastet wird. Diese Klarheit ist besonders wichtig, wenn das Schiff im internationalen Handel eingesetzt ist und mehrere Rechtsordnungen berührt werden. BIMCO hat ein Standardformular für Letters of Quiet Enjoyment zur Verfügung gestellt, um einen ausgewogenen Ausgangspunkt für Kreditgeber und Charterer zu schaffen. Es bleibt abzuwarten, inwieweit diese Dokumente im Schifffahrtsmarkt angenommen werden und wie sie im Kontext der Capital Requirements Regulation funktionieren werden.
 

Wenden Sie sich bei Fragen gerne an Ihre Ansprechpartnerin oder Ihren Ansprechpartner bei EHLERMANN RINDFLEISCH GADOW oder an Rebecca Oliver oder Hendrik Brauns.