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Kredit­märkte im Umbruch – müssen Banken Zinsen für Kredite zahlen?

By 1. Oktober 2021No Comments

Kredit­märkte im Umbruch – müssen Banken Zinsen für Kredite zahlen?

1. Oktober 2021

Kurz zusam­men­ge­fasst:  Negative Leitzinsen waren bis vor einigen Jahren fast unvor­stellbar. Inzwi­schen haben sich die Parteien jedoch soweit daran gewöhnt, dass sie fast schon zur Norma­lität geworden sind. Dennoch sind die Parteien gut beraten, auf die Formu­lierung der entspre­chenden Klauseln bei der Gestaltung und Verhandlung von Kredit­ver­trägen nach deutschem Recht zu achten, nicht zuletzt angesichts der jüngsten diver­gie­renden Entschei­dungen der deutschen Landge­richte in diesem Zusammenhang.

Da die EURIBOR-Sätze seit einigen Jahren unter Null liegen, war es nur eine Frage der Zeit, dass die Gerichte darüber zu entscheiden haben, ob Kredit­geber, die variable Zinssätze anwenden, nicht nur keine Zinsen berechnen können, sondern statt­dessen sogar Zahlungen an ihre Kredit­nehmer leisten müssen.

In kommer­zi­ellen Kredit­ver­trägen verein­baren die Parteien häufig variable Zinssätze, die sich aus der (variablen) EURIBOR-Basis und einer festen Marge zusam­men­setzen. Ein Kredit­vertrag kann vorsehen, dass der Basis­zinssatz nie unter Null fallen kann, was bedeutet, dass der Basis­zinssatz zuzüglich Marge nie negativ sein kann. Auf der anderen Seite sieht aber nicht jeder Kredit­vertrag ausdrücklich eine solche „Nullun­ter­grenze“ für den jewei­ligen Basis­zinssatz vor. Dies könnte dazu führen, dass der Basis­zinssatz in einem solchen Maße negativ ist, dass auch die Summe aus Basis­zinssatz und Marge unter Null liegt. In diesem Zusam­menhang stellt sich die Frage, ob „Negativ­zinsen“ auf ein Darlehen zu einer Zahlungs­ver­pflichtung des Kredit­gebers an den Kredit­nehmer führen können.

In den vergan­genen Monaten gab es mehrere vonein­ander abwei­chende Entschei­dungen deutscher Landgerichte.

Eine Entscheidung des Landge­richts Düsseldorf vom März 2020 (13 O 322/18) bejahte diese Frage. Das Gericht urteilte, dass die kredit­ge­bende Bank den Kredit­nehmern Negativ­zinsen auf das ausste­hende Schuld­schein­dar­lehen zu zahlen hat. In dem zu Grunde liegenden Fall hatten die Parteien nicht ausdrücklich eine „Nullun­ter­grenze“ für den EURIBOR vereinbart. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass (i) es keine still­schwei­gende Unter­grenze für einen Basis­zinssatz gibt, (ii) die Anerkennung des negativen Basis­zins­satzes das gerechte wirtschaft­liche Gleich­ge­wicht der Trans­aktion wider­spiegelt, bei der der Basis­zinssatz nur ein vorüber­ge­hender Posten ist, und (iii) negative Zinsen nicht dem Charakter eines Darlehens wider­sprechen, das als Gegen­leistung für Zinsen gewährt wird, da weiterhin Zinsen gezahlt werden, wenn auch in diesem Fall von der kredit­ge­benden Bank.

Es war die erste Entscheidung eines deutschen Gerichts, nach der die kredit­ge­bende Bank zur Zahlung von Negativ­zinsen an einen Kredit­nehmer aufgrund des negativen EURIBORs verpflichtet ist.

Nur wenige Monate nach diesem Urteil entschied eine andere Kammer desselben Landge­richts Düsseldorf im Juni 2020 (2b O 254/18) gegen­teilig: Hier argumen­tierte das Gericht, dass ein Schuld­schein­dar­lehen im Allge­meinen als ein Geschäft charak­te­ri­siert wird, bei dem ein Kredit­geber Kapital gegen Zahlung von Zinsen zur Verfügung stellt, wobei diese Zinsen vom Empfänger des Kapitals gezahlt werden müssen. Dieser Charakter eines Darlehens wäre nicht gewahrt, wenn der Kredit­geber dem Kredit­nehmer eine Gegen­leistung erbringen würde. Wenn es tatsächlich die Absicht der Parteien gewesen wäre, dass der Kredit­geber eine Gegen­leistung an den Kredit­nehmer zahlen soll, hätten die Parteien dies ausdrücklich verein­baren müssen.

Die Berufung gegen letzt­ge­nannte Entscheidung ist derzeit noch beim Oberlan­des­ge­richt Düsseldorf anhängig.

Den Ansatz des Landge­richts Düsseldorf vom Juni 2020 legt das Landge­richt Hamburg seiner Entscheidung vom Dezember 2020 (318 O 367/19) in Bezug auf einen Schuld­schein­dar­le­hens­vertrag aus dem Jahr 2006 zugrunde: Weder der Kredit­geber noch der Kredit­nehmer hätten damals an eine Situation gedacht, in der die Zinsen negativ werden könnten mit der Folge, dass der Kredit­geber dem Kredit­nehmer ein Entgelt für den Kapital­abruf zahlen müsste. Eine gegen­teilige Auslegung würde nach Ansicht des Gerichts einen Hinweis in dem Kredit­vertrag dahin­gehend erfordern, dass die Parteien eine solche Situation in Betracht gezogen haben und eine Gegen­leistung des Kredit­gebers für die Einlage von Kapital beim Kredit­nehmer vorsehen wollten.

Angesichts dieser diver­gie­renden Entschei­dungen und der Tatsache, dass noch keine Entscheidung des Bundes­ge­richtshofs vorliegt, ist es für die Parteien eines Kredit­ver­trags ratsam, ihre Verträge so zu gestalten, dass sie eine Regelung für die Möglichkeit eines negativen Leitzinses ausdrücklich enthalten. Insbe­sondere werden sich die Parteien zukünftig nicht mehr darauf berufen können, dass sie diese Möglichkeit nicht bedacht haben.

In viele Kredit­ver­träge wurden in den vergan­genen Jahren „zero floor“-Klauseln aufge­nommen, mit denen sich die Parteien auf eine „Nullun­ter­grenze“ für den Leitzins oder einen Mindest­zinssatz geeinigt haben.

Bei allen neu abzuschlie­ßenden Kredit­ver­trägen sollte diese Praxis beibe­halten werden. Alter­nativ sollten die Parteien im Kredit­vertrag ausdrücklich den umgekehrten „Zinsfluss“ als Gegen­leistung für die Einlage von Kapital beim Kredit­nehmer vorsehen, wenn dies gewünscht ist.

Bei weiteren Fragen hierzu wenden Sie sich gerne an Ihre Ansprech­part­nerin oder Ihren Ansprech­partner bei EHLERMANN RINDFLEISCH GADOW oder an Hendrik Brauns or Dr. Hauke Rittscher.

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